Evaluation von kommunalen Präventionsketten in München
Präventionsketten sind integrierte kommunale Strategien zur Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen, zur Förderung von fairen Bildungschancen, zur Stärkung der sozialen Teilhabe und zur Vermeidung der Folgen von Kinderarmut. Sie wurden bundesweit in mehreren Kommunen erfolgreich etabliert. Präventionsketten zielen auf den Aufbau sektorenübergreifender Netzwerkstrukturen ab, um für eine engmaschigere Verkettung präventiver niedrigschwelliger Angebote zu sorgen und Kinder und Jugendliche gerade aus sozial benachteiligten Familien bei Lebensphasenübergängen besser zu unterstützen.
Die Stadt München hat bislang zwei Präventionsketten implementiert: Die erste im neuen Stadtteil Freiham im Westen der bayerischen Landeshauptstadt, die zweite im Neubaugebiet Neufreimann im Münchner Norden. Für die Projekte kooperieren drei kommunale Referate: das Referat für Bildung und Sport, das Gesundheitsreferat sowie das Sozialreferat. Mit den Präventionsketten wird in den Stadtvierteln und in der kommunalen Verwaltung eine multiprofessionelle Kooperation und fachübergreifende Vernetzung aufgebaut, um Kindern und Jugendlichen ein gutes und gesundes Aufwachsen unabhängig vom sozialen Status der Eltern zu ermöglichen.
Die Arbeitsgruppe "Gesundheitsförderung und Prävention" am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung des Instituts für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE) an der Ludwig-Maximilians-Universität München übernimmt die wissenschaftliche Begleitung und die Evaluation der beiden Präventionsketten. Dabei wird in einem Mixed-Methods-Ansatz jeweils eine Prozess- und Ergebnisevaluation durchgeführt.
Präventionskette Freiham
Der neu entstehende Stadtteil Freiham befindet sich im Münchner Westen und ist mit der S-Bahn an das öffentliche Nahverkehrsnetz angeschlossen, ein Anschluss an die U-Bahn ist in Planung. Freiham besteht aus einem Gewerbe- und einem Wohnquartier. Bis etwa 2040 werden Wohnungen für rund 25.000 Menschen im Viertel enstehen, darunter ein hoher Anteil an sozial gefördertem Wohnungsbau. Freiham wird als autoreduziertes Stadtviertel der kurzen Wege geplant, in dem sich Einkaufs- Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten im nahen Umfeld befinden. Die Flächen sollen in möglichst großem Umfang für Fußgänger*innen, Kinder, Grünflächen und öffentliche Plätze genutzt werden, weniger für den Individualverkehr. Es werden, zusätzlich zum Nahverkehrsangebot aus S-Bahn, U-Bahn und Bussen, nachhaltige Mobilitätsformen wie sharded mobility erprobt und vermehrt Fahrradstellplätze und Bike&Ride-Angebote zur Verfügung gestellt. Im ersten Bauabschnitt, der seit 2016 realisiert wird, entstehen, neben Wohnraum, auch großzügige Sport- und Bewegungsflächen, sowohl Multifunktionshallen und Schwimmanlagen, als auch Sportflächen im Außenbereich, und ein inklusiver Schulcampus.
Parallel zum Einzug der ersten Bewohnerinnen und Bewohner implementierte die Stadt München eine Präventionskette in dem Neubaugebiet. Die Prozess- und Ergebnisevaluation des Aufbaus der Präventionskette Freiham wird vom Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung des Instituts für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE) an der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt.
Konzept
Die Evaluation der Präventionskette Freiham läuft in vier Phasen ab:
Phase 1: Vorarbeiten
- Ermittlung von Erwartungen und Bedürfnissen der Zielgruppen
- Identifikation möglicher Barrieren und Erfolgsfaktoren für den Aufbau der Präventionskette
- Erarbeitung eines methodischen Konzepts
Phase 2: Prozessevaluation
- Entwicklung eines logischen Modells
- Evaluation des Aufbaus und der Implementierung der Präventionskette (Zusammenarbeit innerhalb des Netzwerks; Bedürfnisse der Dialoggruppen; Identifikation von Förderfaktoren und Barrieren) mithilfe von Einzelinterviews, Fokusgruppen, Bürgerforen und Befragungen
Phase 3: Ergebnisevaluation
- Erfassung des Effekts der Präventionskette auf Gesundheit, Wissen, Einstellungen, Verhalten und Lebenswelten mithilfe von Routinedaten und eines digitalen Surveys
- Analyse der Zielerreichung und des Gesamterfolgs
- Entwicklung des finalen logischen Modells
Phase 4: Langzeitevaluation
- Fortlaufende Evaluation und Bewertung der Präventionskette
Laufzeit
- Prozessevaluation: 11/2019 – 12/2021
- Ergebnisevaluation: 01/22 – 12/23
- Fortlaufende Evaluation: Ab 01/24
Förderung
Das Projekt wurde gefördert durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Förderzeitraum: Prozessvaluation: 11/2019 – 12/2021; Ergebnisevaluation: 01/22 – 12/23).
Ansprechpartner*innen
Prof. Eva Annette Rehfuess (BA MA (Oxon))
rehfuess@ibe.med.uni-muenchen.de
Dr. Michaela Coenen (MPH postgrad.)
coenen@ibe.med.uni-muenchen.de
Dr. Caroline Jung-Sievers (MSc Epidemiology)
cjungsievers@ibe.med.uni-muenchen.de
Stephan Voß (MSc Public Health)
svoss@ibe.med.uni-muenchen.de
Publikationen
Phase 3: Ergebnisevaluation
- Consented indicators for the evaluation of integrated strategies of community health promotion targeting children and adolescents: results of an eDelphi https://doi.org/10.1186/s12889-023-17370-4
- Health indices for the evaluation and monitoring of health in children and adolescents in prevention and health promotion: a scoping review https://doi.org/10.1186/s12889-021-12335-x
Phase 2: Prozessevaluation
- “A place where I have lost and made friends”: A photovoice study on adolescents’ perspectives on health in a new residential development area in Munich, Germany https://doi.org/10.1016/j.healthplace.2024.103384
- Process evaluation of an integrated community-based intervention for promoting health equity in children in a new residential development area https://doi.org/10.1186/s13690-024-01246-z
- Einflussfaktoren beim Aufbau von Präventionsketten in Neubaugebieten am Beispiel des Münchner Stadtteils Freiham – eine qualitative Studie https://doi.org/10.1007/s11553-022-01001-8
- Digital Formats for Community Participation in Health Promotion and Prevention Activities: A Scoping Review https://doi.org/10.3389/fpubh.2021.713159
Phase 1: Vorarbeiten
- Aufbau der Präventionskette Freiham aus Sicht des Steuerungsgremiums: Eine qualitative Interviewstudie mit Sozialer Netzwerkanalyse https://doi.org/10.1055/a-1815-3254
- Chancen und Herausforderungen von Präventionsketten – Ergebnisse qualitativer Experteninterviews in deutschen Kommunen https://doi.org/10.1055/a-1007-8641
Präventionskette Neufreimann
Im Norden Münchens entsteht bis 2030 das Quartier Neufreimann auf der Fläche der ehemaligen Bayernkaserne. 5.500 Wohnungen für bis zu 15.000 Menschen werden gebaut, darunter ein großer Anteil geförderter und gemeinwohlorientierter Wohnraum. Das Quartier wird als „Stadt der kurzen Wege“ geplant, in dem alle Bedarfe des täglichen Lebens, Bildungseinrichtungen, soziale und kulturelle Angebote und die Nahversorgung fußläufig erreichbar sind. Alternative Mobilitätsangebote werden zur Verfügung gestellt, neben einem gut ausgebauten ÖPNV gibt es beispielsweise Car-Sharing Möglichkeiten und gut ausgebaute Fuß- und Radwege.
Es entstehen verschiedene Bildungseinrichtungen für alle Altersgruppen. Mehrere Kindertagesstätten, Schulen, eine Stadtteilbibliothek, ein Bildungszentrum und eine Eltern- und Familienberatungsstelle werden eingerichtet. Das Quartiersmanagement unterstützt die Vernetzung der Bewohner*innen vor Ort und entstehende Initiativen und Vereine, um ein vielfältiges Freizeit-, Kultur-, und Bildungsangebot in Neufreimann zu ermöglichen. Zudem werden offene und transparente Kommunikations- und Beteiligungsstrukturen aufgebaut, um die Mitwirkung der Bewohner*innen in der Quartiersentwicklung zu ermöglichen und zu unterstützen. Auf lange Sicht sollen so selbsttragende Strukturen entstehen, durch die die Menschen ihr Quartier mitgestalten und Verantwortung für ihr Wohnumfeld übernehmen können.
Die Präventionskette Neufreimann wird seit Anfang 2025 im Quartier implementiert. Die Evaluation und wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch den Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung an der LMU München.
Ansprechpartner*innen
Dr. Michaela Coenen (MPH postgrad.)
coenen@ibe.med.uni-muenchen.de
Stephan Voß (MSc Public Health)
svoss@ibe.med.uni-muenchen.de